Der Wald hat viele Pflichten und Aufgaben zu erfüllen. Die dazu nötigen Fachkräfte fehlen aber zunehmends. Foto / Montage: WaldSchweiz

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Exodus im Wald: Es besteht dringend Handlungsbedarf

Die Schweizer Wirtschaft ächzt unter dem omnipräsenten Fachkräftemangel. Das bekommt auch die Forstbranche zu spüren. Doch was ist zu tun, um diese Entwicklung zu stoppen? Ein Bericht von Oda-Wald Schweiz nennt mehrere Punkte, die rasch angegangen werden müssen.

Brigitt Hunziker Kempf* | Die Gedanken rund um den Fachkräftemangel sind für die Forstbranche nicht neu. Codoc hat deshalb bereits 2013 eine Umfrage bei den Kantonen zum möglichen Nachwuchsmangel rund um die Försterstellen in der ganzen Schweiz lanciert. Damals wurde deutlich, dass in den kommenden 15 Jahren rund die Hälfte der Revier- und Betriebsförster (Diplomierter Förster HF) in Pension gehen wird und der Nachschub an frischen Fachleuten fehlen könnte. Auch an einer Veranstaltung des Schweizerischen Forstvereins vor rund sieben Jahren diskutierte man den möglichen Personalmangel während eines Podiumsgesprächs mit verschiedensten Branchenvertretern und Vertreterinnen. Wie stark sich der Mangel an Fachkräften in Zukunft auswirken werde, hinge massgeblich davon ab, ob es der Forstwirtschaft gelänge, ETH-Absolventen und Lehrabgänger in der Branche zu halten, hiess es dort. Es wurde betont, dass rund die Hälfte der alljährlich 300 fertig ausgebildeten Forstwarte den Beruf wechseln würde, dies unter anderem des tiefen Lohnes wegen. Aber wegen aus gesundheitlicher Probleme würden viele in andere Branchen abwandern. Die ausgebildeten Forstwarte und Forstwartinnen wären (und sind es heute noch) begehrt auf dem Arbeitsmarkt. «Sie werden mit Handkuss genommen, weil sie gewohnt sind anzupacken, und das bei jedem Wetter», erklärte Rolf Dürig damals in einem Artikel des Landwirtschaftlichen Informationsdienstes.

Dürig ist seit 2004 Co-Geschäftsführer der Fachstelle Codoc und seit 2007 Geschäftsführer von OdA Wald Schweiz. Die erwähnte Beliebtheit könnte einer der Gründe für die Zunahme des Fachkräftemangels in der Forstbranche sein. Zur heutigen Situation sagt Rolf Dürig: «Der Fachkräftemangel verschärft sich durch den Fachkräftemangel in anderen Branchen. Die Branchen werben sich gegenseitig die Fachleute ab und locken unter anderem mit besseren Löhnen.» Die Verantwortlichen der OdA Wald Schweiz sind sich dessen bewusst und haben nun beschlossen, einen Prozess zu starten, um dem Fachkräftemangel auf der Stufe der Berufsbildung entgegenzuwirken.

Kurzbericht lanciert

Um diesen Prozess zu starten, wurde als erster Schritt die Firma Interface (Kompetenzzentrum für Evaluation) beauftragt, die vorhandenen schriftlichen Informationen zum Fachkräftemangel im Wald zusammenzutragen sowie aktuelles informelles Wissen zu erheben. Nun liegt der Bericht vor. Er beinhaltet eine umfassende Literaturstudie und ein Fazit von neun Experteninterviews. Auf Basis dieser Informationen schlägt Interface vier Massnahmenbereiche vor: Arbeitsbedingungen optimieren, Anstellungsbedingungen verbessern, Personalentwicklung fördern, Betriebsstrukturen modernisieren und Aus-/Weiterbildung weiterentwickeln. Zu diesen Themenbereichen wurden mögliche Aufgabenfelder formuliert, welche die OdA Wald aktiv angehen könnte. Diese wurden während eines Workshops an der letzten Ausbildnertagung thematisiert und priorisiert. Auch das Gedankengut dieses Workshops floss in den Bericht ein (siehe kompletten Bericht: www.odawald.ch).

Im Kurzbericht findet man alte, wohlbekannte Themen, die zum Fachkräftemangel im Wald führen: unter anderem das tiefe Lohnniveau, die gesundheitliche Belastung, die rückständigen Arbeitsbedingungen ... Schon längst sind vereinzelt Bemühungen und Anstrengungen von einigen Branchenvertretern und -organisationen im Gange. «Trotz der Schwierigkeit, zum Teil gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und damit Veränderungen bewirken zu können, müssen wir dranbleiben. Unsere Branche muss sich bewegen», sagt Dürig. Und wie auch im Bericht von Interface zu lesen ist: «Zwar bestehen verschiedene fachliche und konzeptionelle Grundlagen zum Fachkräftemangel. Aber es fehlen konkrete und abgestimmte Massnahmen, wie dem Fachkräftemangel im Wald gemeinsam begegnet werden kann und soll.»

Fachkräftemangel im Wald ist spürbar

Einer, der den Fachkräftemangel aus direkter Nähe spürt, ist Markus Amhof. Er hat vor rund 30 Jahren seine Forstwart-Ausbildung absolviert und ist seit 10 Jahren Forstunternehmer in Steinhausen. Er engagiert sich in verschiedensten Organisationen. So ist er Chef-Experte, Co-Präsident des Verbandes Schweizer Forstpersonal und auch Vorstandsmitglied in der OdA Wald Schweiz. «Für mich ist wichtig, dass unsere Branche sich bewegt, sich stets weiterentwickeln kann und darf», so Amhof. «Ich arbeite noch wöchentlich mit der Motorsäge im Wald, und somit kann ich als aktiver Praktiker in den Gremien die Bedürfnisse der Basis einfliessen lassen.»

Der Forstmann war im Frühjahr 2022 auch an der Lancierung des Auftrages des nun vorliegenden Berichts beteiligt. «Wir sollten genau hinschauen. Unsere Branche darf nicht stehen bleiben, und wir müssen uns den aktuellen Situationen anpassen», erklärt Amhof.

Was der Fachkräftemangel für einen direkt Betroffenen bedeutet, weiss er als Forstunternehmer genau. Im vergangenen Jahr musste er zwei Forstwart-Stellen neu besetzen. Seine zwei Fachleute wurden von anderen Betrieben abgeworben. «Ich musste lange und intensiv nach neuen Leuten suchen. Ich habe auf nationaler Ebene Inserate geschaltet und über lange Zeit nicht eine Reaktion darauf erhalten.» Der akute Personalmangel führte den Unternehmer in existenzielle Probleme und warf Fragen auf: «Wie wirtschafte ich mit dem fehlenden Personal weiter?» Und: «Wie geht es überhaupt weiter?»

In der Zwischenzeit hat Markus Amhof doch noch neue Mitarbeiter gefunden. Er musste grundsätzliche Überlegungen im Betrieb anstellen und hat unter anderem die Lohnstruktur in seiner Firma überdacht. Dies mit der Konsequenz, dass die Stundenansätze für seine Kunden ansteigen. «Ja, das tiefe Lohnniveau im Forst ist ein grosses und auch bekanntes Thema.» 

Amhof nennt dazu ein Beispiel: Ein frisch ausgebildeter Forstwart habe ihm erklärt, dass er die Forstbranche nun verlässe, da er endlich etwas Geld verdienen möchte und als Lastwagen-Fahrer unterwegs sein werde. Nebst dem Lohnthema stehen für Markus Amhof aber noch andere wichtige Diskussionspunkte im Raum: Nicht nur die jungen Fachleute, auch die zwischen 40 und 50 müssen dringend im Forst gehalten werden. «Wir müssen Arbeitsbedingungen schaffen, die ihnen ermöglichen, bis zur Pensionierung gesund im Wald arbeiten zu können.»

Wald braucht gute Fachleute!

Gemäss dem Fachkräftemangel-Index der Adecco-Gruppe Schweiz und des Stellenmarkt-Monitors Schweiz der Universität Zürich von November 2022 spitzt sich der Fachkräftemangel in der Schweiz drastisch zu. Dort heisst es: «Aktuell erreicht der Fachkräftemangel-Index einen historischen Rekordwert. Somit entwickelt sich die Rekrutierung von neuem Personal für Unternehmen zu einer grossen Herausforderung. Insbesondere Stellen für Gesundheitsspezialist:innen, IT-Fachkräfte und ingenieurtechnische Fachkräfte sind aktuell sehr schwierig zu besetzen …»

In besagtem Monitoring befindet sich die Berufsgruppe «Fachkräfte in Land- und Forstwirtschaft und Fischerei» am unteren Ende des Rankings. Andere Branchen sind stärker betroffen, was aber nur ein kleiner Trost ist. Der Fachkräftemangel im Forst ist eine Tatsache. 

Der Wald hat viele Pflichten und Aufgaben zu erfüllen. Die Bevölkerung will ihre Erholungsoase, die Bewirtschaftung ihre Zahlen, die multifunktionalen 
 Aufgabenbereiche des Waldes müssen erfüllt werden. Wir alle wollen einen gesunden Wald – dies im Heute wie auch im Morgen. All die Bedürfnisse an den Wald unter einen Hut zu bringen, ist nur möglich dank gut ausgebildeten Fachleuten. Als erster Schritt sollen der OdA-Wald-Bericht sowie die Massnahmen mit den Verbandsspitzen in der Waldwirtschaftsbranche besprochen werden. «Wir sind uns im Klaren darüber, dass der Lead für die Realisierung von Massnahmen vor allem bei den Waldbesitzenden zusammen mit den Arbeitnehmer-Vertretenden liegen sollte und müsste», sagt Rolf Dürig

 

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