Zwischen Mai und Juni steht der Tulpenbaum in voller Blüte. Zum ersten Mal blüht diese Art frühestens nach 15 Jahren. Aus den Blüten entwickeln sich im Herbst geflügelte Früchte, die jeweils einen oder zwei Samen enthalten. Foto: canva.com

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 3 min.

Der Tulpenbaum: eine Alternative für Schweizer Wälder?

Vor Millionen Jahren war die Gattung Liriodendron auch in Europa verbreitet. Doch obwohl der Tulpenbaum sich durch verschiedene positive Eigenschaften auszeichnet, nähert man sich ihm hierzulande nur vorsichtig an.

Sarah Sidler | Der Tulpenbaum ist mit seinen blumenförmigen Blüten nicht nur schön anzuschauen, er verfügt auch über zahlreiche Vorteile. So schreibt etwa Waldwissen.net, dass die gerade Wuchsform des Liriodendron tulipifera sogar diejenige der Fichten übertreffe. Im östlichen Nordamerika, wo der Baum natürlich gedeiht, erreicht er Bestandeshöhen von über 40 Metern. In Einzelfällen können gar 60 Meter möglich sein. Diese Baumart kann ein Brusthöhendurchmesser von bis zu zwei Meter erreichen. Zudem sei die natürliche Astreinigung des extremen Totastverlierers hervorragend. Im Urwald kämen Schaftlängen von bis zu
20 Meter vor. Die Zuwachsleistungen liegen im Ursprungsland zwischen 5 und 12 m pro Hektare und Jahr. Die hohen möglichen Durchmesser in Verbindung mit dieser Astreinigung und der guten Förmigkeit können zur Produktion sehr langer, hochwertiger Erdstämme genutzt werden. 

Da sich Tulpenbäume durch ihre Stabilität und geringe Neigung zum Reissen relativ einfach verarbeiten lassen, werden sie vielfältig verwendet. So findet man sie in Möbeln, im Drechslerholzbau, aber auch in Exklusiverem wie der Vertäfelung von Yachten wieder. Als Ersatz für hochwertige Fichtenware kommen sie beim Musikinstrumentenbau zur Anwendung. In den USA hat sich der Tulpenbaum zur mengenmässig zweitwichtigsten Laubschnitzholzart im Export entwickelt. 

Aufwendige Vermarktung

Der Tulpenbaum gedeiht auch in Deutschland, unter anderem in Nordbaden zwischen Karlsruhe und Baden-Baden sowie in den Stadtswäldern Baden-Baden und Weinsberg. In unteren Schwarzwaldlagen können naturverjüngte Pflanzen dem Berg-
ahorn vorauswachsen. In anderen Naturverjüngungen in unserem Nachbarland entwickelt sich der Tulpenbaum unter lichtem Schirm oft als Einzelmischung gut in standorttypische Edellaubverjüngung. In Bestandeslücken können sich femelartige tulpenbaumdominierte Verjüngungsgruppen bilden. Die Vermarktung sei bisher aber trotz allen Vorteilen eher aufwendig, die Erlöse stark schwankend: Das geringe Holzaufkommen lässt eine Spezialisierung von Verarbeitern nicht zu. 

Ob dies mit ein Grund ist, dass der Tulpenbaum bei uns kaum gepflanzt wird? Trotz allen wirtschaftlichen Vorteilen, einer relativ problemlosen Integration in natürliche, heimische Waldgesellschaften sowie einem nichtinvasiven Verhalten bei moderater Verjüngungstätigkeit, wie waldwissen.net schreibt.

In den Emme-Forstbaumschulen AG in Wiler bei Utzenstorf (BE) sind junge Tulpenbäume seit 2016 erhältlich. Jährlich werden dort zwischen 500 und 1500 Stück dieser Baumart produziert. «Die Nachfrage danach ist jedoch konstant», sagt Marc Hirt von der Emme-Forstbaumschulen AG. Er könnte sich den Tulpenbaum als Ergänzung zum herkömmlichen Sortiment jedoch gut als Zukunftsbaum vorstellen. Als Lichtbaumart ist der Tulpenbaum gut in Mischbestände integrierbar. Laut Marc Hirt benötigt dieser auch keine spezielle Behandlung. «Er gedeiht gut ohne zusätzlichen Aufwand wie Stratifikation, also der Schichtung von Saatgut in feuchtem Sand oder Wasser, um das Keimen zu beschleunigen.» 

Tulpenbäume in Berner Wäldern 

Auch der Forstbetrieb der Burgergemeinde Bern wagte sich vor 2020 an den Liriodendron tulipifera: «In Ergänzung zur Naturverjüngung hat unser Forstbetrieb auf kleineren Flächen Tulpenbäume gepflanzt, rund 100 Stück pro Jahr», sagt Michel Wyss von der Burgergemeinde Bern. Seit 2021 hat der Forstbetrieb jedoch keine weiteren Exemplare mehr gepflanzt. «Angepflanzt haben wir den Tulpenbaum, weil er grundsätzlich aufgrund seiner Wachstumseigenschaften interessant ist. Seine Bedeutung für die einheimische Holzverarbeitung ist aber wohl eher als gering einzuschätzen», führt Wyss aus. Da der Forstbetrieb der Burgergemeinde Bern erst über einige Jahre an Erfahrung mit dem Tulpenbaum verfügt, liegen noch keine systematischen Auswertungen vor.

Vorsichtiger Umgang mit Gastbaumarten

In der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) übt man gegenüber der amerikanischen Baumart Zurückhaltung: Sie kommt in den aktuellen Testpflanzungen nicht vor. «Wir waren sehr vorsichtig mit Gastbaumarten, insbesondere mit Arten, mit welchen wir erst wenig Erfahrung gesammelt haben im Wald», sagt Kathrin Streit von der WSL.

Als einzige nordamerikanische Baumart käme die Douglasie darin vor. «Mit dieser haben wir in der Schweiz seit gut 150 Jahren Erfahrung und können davon ausgehen, dass sie sich unter den meisten Schweizer Bedingungen nicht invasiv verhält», führt Streit aus. Der Tulpenbaum hingegen wurde hierzulande kaum im Wald gepflanzt. «Gastbaumarten sind immer ein Risiko, weil sich der Einfluss auf das Ökosystem Wald und auf die Biodiversität schlecht prognostizieren lässt. Insbesondere wenn man noch keine Erfahrung mit der Art hat», sagt sie. Auch im aktuellen Landesforstinventar sei der Tulpenbaum auf keiner Stichprobefläche aufgenommen.

Gemäss den Standortempfehlungen der Fachstelle Waldbau am Bildungszentrum Wald in Lyss (BE) gedeiht der Tulpenbaum in ähnlichen Bereichen der kollinen Höhenstufen wie die Buche. Die Baumart erträgt mässig sauren bis basenreichen Boden im frischen bis nassen Bereich. Waldgesellschaften wie die Waldmeister-Buchen-Wälder, Lungenkraut-Buchen-Wälder, Ahorn-Erle-Eschen-Wälder und der Aronstab-Buchen-Mischwald gehören laut aktuellem Wissensstand zu den geeignet-
sten Standorten.

Attraktiv, doch mit Tücken

Für höhere Lagen ist der Tulpenbaum gemäss Waldwissen.net nur bedingt geeignet, obwohl diese Art absolut winterfrosthart ist und ihre Wurzeln ein tiefreichendes, weitstreichendes System entwickeln. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass wegen des mittelfrühen Austriebs Spätfrostschäden auftreten können. Zum anderen können Schneebruch und -druck sowie vereiste Äste zu erheblichen Schäden führen. Auch Starkwinde können bei dieser Baumart zu bleibenden Kronendeformationen führen. Diese gelten bei Holzerntemassnahmen zudem als brüchig. Auf Fäll- und Rückeschäden reagieren besonders die dünnborkigen Jungbestände extrem empfindlich. Auch Bodenverdichtung und Überflutungen würden dieser Art zusetzen. All diese Punkte zeigen auf, wieso der Tulpenbaum zwar attraktiv wäre, doch auch seine Tücken hat.

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