In Frankreich wird darüber diskutiert, ob Nieder- und Mittelwälder die Energieholzproduktion steigern könnten. Foto: Bernard Rerat

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Sind alte Mittelwälder eine neue Energiequelle für Frankreich?

Holz aus dem Wald als Wärme- und Energiequelle profitiert von den hohen Preisen von fossilen Brennstoffen. Wie eine kleine Untersuchung für «La Forêt» zeigt, könnten alte französische Nieder- und Mittelwälder den Engpass überbrücken.

Bernard Rerat | Wie überall in Europa kann auch Frankreich dem Preisanstieg für Energieholz nicht entgehen. Zum Ende des zweiten Quartals 2022 und im Jahresvergleich waren die durchschnittlichen Preise für 1-Meter-Scheitholz um 20 Prozent 
gestiegen, die für Holz in allen Längen um 38 Prozent. Bei Pellets ist es noch mehr: Im dritten Quartal 2022 beträgt der Anstieg im Einjahresvergleich satte 70 Prozent. In einigen Regionen ist die Nachfrage so gross, dass die Preise für Brennholz explodieren. Ein Ster Halbmeterscheite für Privatpersonen kostete diesen Herbst in der Provence nicht mehr 70 Euro wie 2021, sondern knapp 100 Euro.

Diese angespannte Preislage muss im richtigen Kontext gesehen werden: In Frankreich haben die erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch noch relativ wenig Gewicht. Ende 2021 stammten nur 24 Prozent der verbrauchten Wärme aus erneuerbaren und zurückgewonnenen Ressourcen. Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz legt jedoch das Ziel fest, bis 2030 rund 38 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Woher also das fehlende Holz nehmen, in einem Land mit 68 Millionen Einwohnern, die im Jahr 2018 bereits 23 Millionen Kubikmeter Brennholz verbrauchten? Von Nebenprodukten 
aus Sägewerken? 

Der Sektor hat sich bei der Produktion von Schnittholz (und also Sägemehl, Schnitzel und Beschnitt) bei 8 Millionenm3/Jahr eingependelt. Abfallprodukte aus der Grünflächenpflege und anderen Randaktivitäten? Diese Branche ist gut organisiert, sie liefert bereits ihr Maximum. Bleiben noch die Wälder. Ein Teil des potenziellen Energieholzvorkommens könnte in Laubholzbeständen liegen, die aus alten forstwirtschaftlichen Praktiken hervorgegangen sind: Nieder- und Mittelwälder. Michel Verdot erklärt uns, dass es sich hierbei um eine Kombination aus Niederholz in der Unterschicht und ungleichförmigem Hochwald in der Oberschicht handelt.

Die Ursprünge des Nieder- und Mittelwaldes

Die Geschichte dieser Bestände reicht weit zurück. In der galloromanischen Zeit gab es erste Ansätze einer Bewirtschaftung in der Nähe von Siedlungen: Niederwälder mit kurzer Betriebszeit (sylvae minutae) lieferten Brennholz für die ersten Bewohner. Weiter entfernt lagen lichte Wälder mit Eichen- und Buchenholz, in denen Schweine gefüttert und Rinder geweidet wurden. Ungenutzte Waldgebiete lagen weiter von den 
Dörfern entfernt.

Als die Bevölkerung wuchs, wurden diese Niederwälder für die Entwicklung der bäuerlichen, frühindustriellen Gesellschaften in unseren Regionen von entscheidender Bedeutung. Jeder schöpfte von diesem Reichtum ohne zu zählen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen: Kochen und Heizen im Haushalt, kleine Handwerksbetriebe, Schmieden, Glashütten, Salinen usw. Das Ergebnis? Von 30 Millionen Hektar um das Jahr 800 schrumpfte der französische Wald bis zur Revolution von 1789 auf 7 Millionen Hektar.

Um diese Ausblutung zu stoppen, wurde die Verordnung von Colbert (1669) erlassen, um das Gesicht der französischen Wälder zu verändern. Die Verordnung schrieb vor, dass in königlichen, kirchlichen und kommunalen Wäldern und später auch in Privatwäldern ein Viertel der Fläche nicht genutzt werden durfte. In den Kahlschlägen mussten 16 Überhälter pro Juchart (das entspricht etwa 30 Bäumen pro Hektar) stehengelassen werden. Beim Niederwald galt eine Mindestdauer von 10 Jahren zwischen zwei Schlägen.

Colbert leitete die Entstehung des Mittelwaldes ein, der die Bedürfnisse der damaligen Zeit befriedigen sollte: Mit der Unterschicht und den Baumkronen die Energieversorgung der Bevölkerung und der Metallindustrie ... und mit den Stämmen der Oberschicht die Bauwirtschaft und das Militär für die Marine ... Doch der Mittelwald wurde rasch vom Lauf der Welt überholt. Der von der deutschen Schule beeinflusste Bernard Lorentz, anno 1825 der erste Leiter der Forstschule in Nancy verpasste ihm zugunsten des Hochwaldes schlechte Noten.

Knapp 25 Jahre später bot die industrielle Revolution dem Hochwald eine neue Zukunft. Die Entdeckung der Steinkohle – und später des Erdöls – bedeutete den Niedergang des Mittelwaldes. Die Entwicklung des Transports und der Baubedarf taten ihr Übriges. Durch Umnutzung (natürliche Verjüngung) oder Veränderung (Pflanzung) löste der regelmässige Hochwald den Mittelwald allmählich ab. Im Jahr 1920 wurden nur noch 40 Prozent der staatlichen Wälder so bewirtschaftet. «Heute ist diese Art der Bewirtschaftung in den Staatswäldern völlig aufgegeben worden und bleibt auch in Gemeindewäldern überaus selten», stellt Michel Verdot fest.

Tatsächlich werden die staatlichen Wälder optimal bewirtschaftet: Mit 25 Prozent der französischen Waldfläche liefern sie 40 Prozent der gesamten Nutzholzernte. Die vier Millionen privaten Waldbesitzer, welche die restlichen 75 Prozent der Fläche besitzen, produzieren weniger Holz. Ein Teil ihres Besitzes – genaue Zahlen gibt es dazu nicht – besteht aus Nieder- und Mittelwald. Diese könnten also dazu beitragen, zusätzliches Energieholz zu liefern. Diese Bestände wurden jedoch aus verschiedenen Gründen vernachlässigt: geringer Wert der Produkte, winzige Produktion an Nutzholz, untragbare Kosten, schwieriger Zugang, Kleinstparzellierung des Grundbesitzes (durchschnittlich drei Hektaren pro Waldbesitzer).

Diese Nieder- und Mittelwälder, die der zeitgenössische Forstwirt bislang als Relikte einer vergangenen Epoche und ohne namhaften wirtschaftlichen Nutzen betrachtete, sind nun von Neuem interessant. Die Frage ist nun, wie sie im Rahmen einer nachhaltigen Bewirtschaftung möglichst kostengünstig genutzt werden können.

 

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