Der Wald oberhalb von Martigny (VS) schützt vor Naturgefahren - eine der essentiellen Waldleistung. Foto: F. Pedrazzetti; Ex-Press/BAFU

ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Waldleistungen, ein Geschenk der Natur und eine Aufgabe für alle

Der Bund sorgt dafür, dass der Wald seine für uns essentiellen Funktionen und Leistungen erfüllen kann. Während zu erwartenden Veränderungen eine grosse Herausforderung darstellen, kann die Sicherstellung der Waldleistungen nur durch die Zusammenarbeit aller Waldakteure gelingen.

Oliver Wolf und Clémence Dirac* | Es ist ein schöner Frühlingstag – perfekt für ein Spaziergang im Wald. Die Vögel zwitschern und die Blätter rascheln im Wind. Zwei Spazierende geniessen diese Natur, gehen vorbei an einem Holzlager, vorbei an Bäumen mit Steinen am Stammfuss, entlang eines bewaldeten Feuchtgebietes mit einer Grundwasserfassung, in Richtung einer Informationstafel, welche auf die Klimaleistungen des Waldes hinweist. Schon fast selbstverständlich erleben die Spazierenden all diese Leistungen des Waldes.

Diese «Selbstverständlichkeit» – die Waldleistungen – sind ein Geschenk der Natur, welches fundamental für das kontinuierliche Wohlergehen der Schweizer Bevölkerung ist. Denn durch seine Leistungen stellt der Wald essentielle Grundlagen für den Menschen bereit. Dabei gilt zu wissen, dass die Waldleistungen den drei Waldfunktionen - der Schutz-, Nutz-, und Wohlfahrtsfunktion – untergeordnet sind. Der Wald erfüllt Funktionen in welchen er jeweils verschiedene Waldleistungen erbringt, als Künstler der Multifunktionalität oft auch mehrere gleichzeitig.

Gesetzlicher und politischer Rahmen

Um das Bestehen der Waldleistungen zu garantieren sind die Waldfunktionen in der Bundesverfassung durch den Artikel 77 verankert. Darin wird der Bund beauftragt dafür zu sorgen, dass der Wald seine Funktionen erfüllen kann. Dieser gesetzliche Auftrag wird durch das Waldgesetz weiter ausgeführt und beinhaltet Anweisungen zur Sicherstellung der Waldfunktionen und -leistungen (siehe Tabelle, Seite 15), z.B. in Artikel 1 (Schutz des Waldes und seiner Funktionen) oder in Artikel 28a (Unterstützung des Waldes zur Erfüllung seiner Funktionen auch unter veränderten Klimabedingungen).

Die Gesetzesgrundlagen werden in der Waldpolitik mittels Ziele, Stossrichtungen und Massnahmen spezifiziert. Darin sind die Waldleistungen in mehreren Zielen der Politik enthalten. Ziel 1 umfasst zwei Leistungen: Produktion von stofflicher Biomasse (Stamm-, Industrieholz) und Produktion von energetischer Biomasse (Energieholz). Die Waldleistung CO2-Sequestrierung und -Speicherung im Wald sowie CO2-Speicherung in Holzprodukten stehen im Mittelpunkt von Ziel 2, und der Schutz von Menschen und erheblichen Sachwerten vor gravitativen Naturgefahren von Ziel 3. Ziel 4 konzentriert sich auf Biodiversität bzw. auf die Waldleistungen der Bereitstellung von Naturwerten und Habitatleistungen und Lebensraum für die einheimische Artenvielfalt. Die Wasserfiltrierung wird im Ziel 7 betrachtet, und Ziel 10 bezieht sich auf die Rolle des Waldes als Raum für Erholung und Entspannung und für Sport und Abenteuer. Schlussendlich sind die Waldleistung Gegenstand für Bildung und Forschung sowie für Citizen Science und Erfahrungsraum der Umweltbildung, worauf sich das Ziel 11 fokussiert. Die Waldpolitik stellt eine Verbundsaufgabe dar. Dabei vertritt das Bundesamt für Umwelt (BAFU) den Bund und besitzt die Leitung, wobei die Umsetzung in enger Zusammenarbeit mit verschiedensten Akteuren geschieht (z.B. Kantone, Waldbesitzende/-bewirtschaftende, Verbände, Bildungs-/Forschungsinstitutionen, etc.).

Waldleistungen sicherstellen

Erwartete klimatische und sozioökonomische Veränderungen stellen eine grosse Herausforderung dar. Nur einen an diese Veränderungen angepasster Wald wird auch in Zukunft fähig sein die essentiellen Leistungen zu erbringen. Aufgrund der erwartenden Geschwindigkeit der Veränderungen wird die natürliche Anpassung des Waldes wahrscheinlich nicht ausreichen, um alle Waldleistungen sicherzustellen. Deshalb wird eine nachhaltige Waldwirtschaft basierend auf einem naturnahen Waldbau benötigt. Den Waldbesitzenden und -bewirtschaftende kommt eine zentrale Rolle zu. Sie beeinflussen durch ihr Handeln die verschiedenen Waldleistungen und so deren Erhalt. Diese Eingriffe für das Erbringen der Leistungen sind jedoch nicht kostenfrei. Das ökonomisch relevanteste Mittel für Waldbesitzende und -bewirtschaftende ist der Holzverkauf. Jedoch kann der Holzerlös die entstehenden Kosten für die Bereitstellung der vielseitigen Waldleistungen nicht mehr decken. 

So ist eine adäquate Inwertsetzung der Waldleistungen für deren Sicherstellung nötig. Durch verschiedene Instrumente können Einnahmen generiert werden (z.B. CO2-Markt, Sponsoring, Partnerschaften), welche aktuell jedoch oft gering ausfallen und meist nur Mindererträge oder Mehraufwände abdecken. Deshalb sollen Waldbesitzende und -bewirtschaftende in ihrer zentralen Rolle im Zusammenhang mit der Inwertsetzung der Waldleistungen unterstützt werden. Weiter müssen neue Ausbildungsangebote für Forstfachpersonen geschaffen werden, um das erforderliche Wissen für die Inwertsetzung der Waldleistungen zu vermitteln.

Massnahmen des Bundes

Das BAFU unterstützt Waldbesitzenden, Waldbewirtschaftenden und alle involvierten Akteure in der Inwertsetzung von Waldleistungen durch das Durchführen von Projekten in drei Themenbereichen (Massnahmen der Stossrichtung 6.2 der Waldpolitik): Ökonomische Inwertsetzung, monetäre Bewertung und Berücksichtigung der Waldleistungen im Gesamtkonzept der Ökosystemleistungen.

Als Beispiel für ein durchgeführtes Projekt im Themenbereich «ökonomische Inwertsetzung» kann die Studie des BAFUs zu Partnerschaften zwischen Waldbesitzenden und Wasserverwertern dienen. Diese verfolgte das Ziel der Förderung des Abgeltens von Mehraufwänden und Mindererträgen bei forstlichen Massnahmen, welche über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen können. Als Resultat der Studie wurde ein Leitfaden zu Wald und Wasser Partnerschaften erarbeitet, wodurch diese animiert werden sollen. Im Themenbereich «monetäre Bewertung» führt das BAFU unter anderem eine Machbarkeitsstudie zur Integration des ökonomischen Wertes von Waldleistungen in die Entnscheidungsfindung von Gemeinden durch. Das Ziel dieser Studie ist die Sichtbarkeit des Wertes von Waldleistungen zu erhöhen und deren Integration in den Entscheidungsfindungen. Damit verbunden sollen den Leistungen des Waldes mehr Gewicht geschenkt und 
Massnahmen zu deren Erbringung abgegolten werden.

Um die Waldleistungen im Themenbereich des Gesamtkonzepts der Ökosystemleistungen zu berücksichtigen, unterstützt das BAFU das Projekt «Forest Ecosystem Business Modell (FEBU)». Dabei werden internationale Konzepte, 
Instrumente und Erfahrungen im Bereich der Ökosystemleistungen mit dem Schweizer Waldumfeld verbunden. Die Hauptziele des laufenden Projektes sind: a) Zusammenstellung und Aufbereitung von Fachwissen zur Inwertsetzung von Waldleistungen und  die damit verbundene Schaffung neuer Geschäftsmodelle; b) Erprobung der neuen Konzepte und Instrumente durch nationale  Fallstudien.

Eine wichtige Grundlage aller Arbeiten des BAFUs im Bereich der Waldleistungen ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen Waldakteuren. Dabei pflegt das BAFU beispielsweise eine wertvolle Zusammenarbeit mit WaldSchweiz. So wirkte WaldSchweiz unter anderem bei der Studie zu den Wasserpartnerschaften und FEBU mit. 

Aussicht in die Zukunft

Aktuelle Massnahmen in der Waldwirtschaft und in Sektoren, welche den Wald beeinflussen, wirken sich auf den zukünftigen Wald und somit auf seine Leistungen von morgen aus. Es ist fundamental gegenwärtige und mögliche zukünftige Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Durch die Klima- und Biodiversitätskrise, als auch durch die aktuell komplexe geopolitische Lage und verbundene Energiekriese, steht der Schweizer Waldsektor vor grossen Herausforderungen. Dabei sind die Resilienz des Waldökosystems und die Vielfalt des Waldes (inkl. Waldbiodiversität) Grundvoraussetzungen für die Wahrung 
der Waldleistungen.

Das BAFU berücksichtigt dieses herausfordernde Umfeld und entwickelt, neben den aktuellen Massnahmen, in Zusammenarbeit mit Kantonen und weiteren Akteuren die «Integralen Wald und Holz Strategie 2050». Die Strategie hat das Ziel die Waldpolitik und die Ressourcenpolitik Holz zusammenzuführen und Sektor relevante Politiken (z.B. Klima, Biodiversität, Energie, etc.) zu berücksichtigen. Dadurch soll eine umfassende Strategie des Bundes entstehen, welche ökonomischen, ökologischen und sozialen Ansprüchen in gleichem Masse gerecht wird und der gesetzliche Auftrag im Umfeld der verändernden Rahmenbedingungen umgesetzt werden kann.

Mit Hinsicht auf die Komplexität der Waldwirtschaft und gegenwertigen und zukünftigen Herausforderungen wird deutlich, dass das Erlebnis der zwei Spazierenden keine Selbstverständlichkeit ist. Gestern, heute und morgen, waren und sind Waldleistungen essentiell. Der Bund sorgt dafür, das der Wald seine Funktionen und Leistungen erfüllen kann. Durch seine Massnahmen unterstützt er Waldbesitzende und -bewirtschaftende in ihrer zentralen Rolle, dies im Verbund mit verschiedenen Akteuren. Die Aufgabe zur langfristigen Sicherstellung des «Geschenkes der Natur» - den Waldleistungen – ist herausfordernd, gelingt jedoch durch die Zusammenarbeit aller. ¢

*Oliver Wolf und Clémence Dirac abreiten in der Abteilung Wald beim Bundesamt für Umwelt BAFU.

 

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BEGRIFFSERKLÄRUNG – WALDFUNKTION UND WALDLEISTUNG

Die Waldfunktionen umfassen jene Aufgaben, die vom Wald erfüllt werden (Wirkungen oder Potenzial des Waldes) und erfüllt werden sollen (Ansprüche des Menschen). Die Waldbewirtschaftung dient dazu, die Waldfunktionen im Sinne der Nachhaltigkeit sicherzustellen. Waldleistungen sind wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Nutzen vom Wald für den einzelnen Menschen und die 

Gesellschaft. Waldleistungen sind folglich Waldfunktionen mit direktem Nutzen. Zum Sprachgebrauch: Der Wald erfüllt Waldfunktionen und er erbringt Waldleistungen. In der Wissenschaft und Praxis gewinnen die Ökosystemleistungen und damit die Waldleistungen (Wald-Ökosystemleistungen) zunehmend an Bedeutung. So werden die Begriffe «Waldökosystemleistungen» und «Waldleistungen» synonym verwendet.

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